Tausche Freiheit gegen Fortschritt und Gemeinschaft

Ein Zeitreisebericht aus dem Beruflichen Schulzentrum Delitzsch vom 28. bis 29. August 2018

Alle Bürger haben gleiche Rechte und gleiche Chancen, da ihre Einkommen und Kontostände sich weitestgehend angeglichen haben. Mit der Politik sind sie im Großen und Ganzen sehr zufrieden, die Politiker genießen einen guten Ruf in der Bevölkerung und ihnen wird Vertrauen entgegengebracht. Populistische Strömungen haben es von daher sehr schwer, Fuß zu fassen.

Die Bildung ist nunmehr Bundessache, die Lehrpläne der Bundesländer sind vereinheitlicht. In Bayern schreibt man dasselbe Abitur wie in Sachsen. Das Niveau der Gesundheitsversorgung ist sehr fortschrittlich. Jede Patientenakte ist als individualisierter Algorithmus auf einer virtuellen Datenbank hinterlegt, das gewährleistet eine superschnelle und höchst effektive Behandlung im Krankheitsfall.

Im Gesundheitswesen wurde die Privatversicherung abgeschafft, Geld spielt beim Arztbesuch keine Rolle mehr. Den Preis einer umfassenden Datenspeicherung nehmen die „gläsernen Bürger“ dafür gern in Kauf. Normenkonformes Verhalten wird in dieser Gesellschaft belohnt, z.B. durch erleichterten Zugang zu Krediten. Auch hier lebt man nach dem Motto: Fortschritt und Gemeinschaft vor Freiheit. 


Eine Szene, die sich im Jahr 2038 zugetragen hat…

Szene 1: Patienten sitzen im Wartezimmer einer Arztpraxis. Es treten auf ein Patient, P, ein Arzt, A, ein Reisender, R, sowie eine Sekretärin, S.

A: Der Nächste bitte!

(P betritt den Raum und begrüßt den Arzt)

P: Hallo! Ich habe mir einen Termin geben lassen, da mein Chip blinkt. Könnten Sie mich bitte untersuchen?

A: Klar, kein Problem. (Arzt scannt den Chip mit einem Lesegerät ab) Sie haben Bluthochdruck. Ich lasse Ihnen die Medizin direkt nach Hause schicken.

P: Was kostet mich das?

A: Nichts. Seit diesem Jahr ist doch jeder in der AKK (Allgemeine Krankenkasse) versichert. (P verlässt das Arztzimmer und geht ab)

A: Der Nächste bitte! (Reisender betritt die Praxis)

R: Entschuldigen Sie, ich bin auf der Durchreise und seit einigen Tagen geht es mir nicht gut. Könnten Sie mich bitte dazwischenschieben?

S: Für heute ist nichts mehr frei, aber ich kann Ihnen für nächste Woche einen Termin geben.

R: Aber ich bin doch privat versichert. Warum dauert das so lange?

S: Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann, aber bei uns gibt es keine Privatversicherungen mehr! (Reisender verlässt die Praxis)

Szene 2: In einer Wohnung befinden sich Angelina, A, Lotta, L, sowie ein Roboter, R.

L: Hey!

A: Na Lotta, schön Dich zu sehen. Wir müssen noch was Wichtiges wegen Freitag klären. Wie kommen wir denn da eigentlich zum Stadtfest?

L: Wie wäre es, wenn wir uns einen Fahrer organisieren oder ein Taxi bestellen?

A: Ok, das könnte klappen. Aber ein Taxi ist doch bestimmt zu teuer?

L: Auf jeden Fall wird das ‘ne tolle Party – Sputnik-Heimattour legt auf!

A: Und weißt Du, wer noch kommt? ATOMIC BASSES!

L: Nein echt?

R: (Roboter kommt ins Zimmer) Bibi buba bubi bä – die Wäsche ist gebügelt und zusammengelegt.

A: Sehr schön. Dann saug noch die Stube.

R: Bibi buba bubi bä! (Roboter verlässt den Raum)

Szene 3: Autosalon Moosmann, es treten auf Herr Moosmann, M, Käufer mit gutem Karma Herr Schlecker, Sch, und Käufer mit schlechtem Karma Frau Schnabelstätt, S.

M: Einen schönen guten Tag! Willkommen bei Moosmann Autos, was kann ich für Sie tun?

S: Ich interessiere mich für dieses Auto. Was kostet es?

M: Ich schaue mal. Reichen Sie mir bitte Ihre Hand zum scannen. (Moosmann scannt den Chip)

M: Für Sie kostet es 4.500 EUR. Wie ich sehe, haben Sie sich in letzter Zeit nicht normgerecht verhalten.

S: Soo viel? Da muss ich eine Nacht drüber schlafen.

(Frau Schnabelstätt verlässt den Salon, ein neuer Kunde, Herr Schlecker, geht zu Moosmann)

Sch: Ich interessiere mich ebenfalls für dieses Auto, aber 4.500 EUR ist mir zu teuer.

Moosmann: Warten wir mal ab. Als erstes checken wir Ihren Chip, um zu sehen, wie Sie sich im letzten halben Jahr verhalten haben.

(Moosmann scannt den Chip)

M: Sie sind ein guter Mensch. Keine Fehltritte!Das lob ich mir. Für Sie kostet der Wagen 1.500 EUR.

Sch: Das geht in Ordnung. Nehm ich. Können Sie mir das Auto zuschicken?

M: Es kommt morgen per Autopilot zu Ihnen.

Moosmann und Schlecker besiegeln per Handschlag das Geschäft.